Lauras Sternstunde

So, so. An der Hotelbar also. Und auch noch ´des Abends nach dem Drei-Königs-Treffen. Genauer gesagt nach dem Ball auf dem Drei-Königs-Treff der FDP. Das ist natürlich der echt beste Ort, um ein „professionelles Gespräch“ zu führen. Glaubt  jedenfalls die Frau Himmelreich. Laura mit Vornamen. Und ihres Zeichens Enthüllungsjournalistin. Und  ihre geifernden Kollegen beim Stern entblöden sich nicht, das unter der Überschrift „Der spitze Kandidat“ so richtig reißerisch an den Leser zu bringen. Bedient wahrscheinliche besser die  niederen Instinkte der Käuferschaft als die leicht despektierlich-sarkastisch gewählte Headline „Der Herrenwitz“, die Laura Himmelreich selber bar jeden Voyeurismus‘ gewählt hat.

Lassen wir mal dahingestellt, dass hier ein allzu rüstiger Rentner seinen männlichen Charme maßlos überschätzt, indem er eine Mitzwanzigerin in gelöster Atmosphäre zuflirtet. Unbeholfen zuzuflirten versucht. Eigentlich gibt sich der gute Rainer B. damit allein schon genug der Lächerlichkeit preis. Dermaßen große Altersbarrieren kann auch eine im Übermaß testosterongeschwängerte Aura der Macht nicht wirklich überbrücken. Das ist der eigentliche Herrenwitz. Nicht mehr, nicht weniger. Und schon gar nicht die ach so frivole Gesprächsführung des FDP-Spitzenkandidaten gegenüber Sterns Laura. .

Sei es, wie es sei. Kucken wir doch mal, was denn der guten Laura auf ihrer quasi feierabendlichen Investigativtour im Freistaat zu vorgerückter Stunde so Schlimmes widerfahren ist.  „Brüderles Blick wanderte auf meinen Busen.“ Hach, wie verwerflich. Wie überaus erniedrigend! Ist in  der Evolutionsgeschichte noch nie vorgekommen, oder was? Das natürlichste von der Welt wird hier als sexistisch instrumentalisiert.

„Im Laufe unseres Gesprächs greift er nach meiner Hand und küsst sie.“ Pfui, Spinne. Manch einer würde das als Galantarie begreifen, Brüderle gar als einen Kavalier der alten Schule begreifen. Ist ja immerhin etwas aus der Mode gekommen der gute alte Handkuss in Zeiten von „High five“ oder „Yo, was geht“ als Grußformeln. Natürlich ist es ein Annäherungsversuch. Aber ein respektvoller.

„Herr Brüderle“, sage ich, „Sie sind Politiker, ich bin Journalistin.“
„Politiker verfallen doch alle Journalistinnen“, sagt er.
Ich sage: „Ich finde es besser, wir halten das hier professionell.“
„Am Ende sind wir alle nur Menschen.“

Eben. Menschen. Zu vorgerückter Stunde. In einer Bar. Und nicht in einer professionellen Interviewsituation, wie hier versucht wird zu betonen. Für Frau Himmelreich aber ist das Private auf einmal Politisch.

Klingt ein bisschen gekünstelt die ganze Aufregung in meinen Augen. Und mal ehrlich, die Anbandeleien zwischen den Mächtigen und denjenigen, die darüber berichten, sind doch nichts Ungewöhnliches oder Entehrendes. Schon Gerhard Schröder vergessen und seine Doris? Oder Joschka Fischer, der dem Liebreiz der weiblichen Journaille gleich zwei Mal erlegen war?

“ … der Grat zwischen locker und enthemmt ist schmal“, schreiben die Kollegen vom Stern in aufrechter Empörung. Der zwischen rechtschaffener Entrüstung und Verklemmtheit ebenfalls, meine Herren. Denn bitte schön, Brüderles „“Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“ kann auch als unbeholfener Versuch eines Komplimentes angesehen werden. Nicht zu vergessen, ein dem Ambiente des Treffs angemessenes Kompliment. Befand man sich nicht gerade im Freistaat zu Bayern? Dirndl, Dekollete! Eben.

Warum sie erst jetzt mit diesem Scoop, dieser bahnbrechenden Enthüllungsgeschichte aufwartet, also ein Jahr nachdem sie sich zugetragen hat, erklärt die Autorin auf Twitter recht lapidar. „Weil eine Geschichte über das „neue Gesicht“ der FDP nun eine andere Relevanz hat.“, so ihre Aussage. Ach, ein Spitzenplotiker war er vorher nicht? Erst jetzt als Spitzenkandidat ist er das „neue Gesicht“? Lächerlich.

Im übrigen ist hier rech hübsch zu sehen, dass Frau H. das Instrumentarium von Twitter nicht beherrscht. Sie antwortet nämlich nicht nur dem aus der Reihen der Liberalen stammenden Fragesteller @OlliLuksic, sondern auch sich selber @im_Himmelreich. Ein ntm sozusagen. A note to myself. Bisschen aufgeregt die junge Dame. Aber das kann ja im Eifer des Gefechts mal passieren …

Nun ja, muss man ja nicht alles können. Das Internet ist eben tückisch. Was Sterns Laura aber beherrscht, sind ihre graue Zellen.  Über ein Jahr her das ganze. Doch so unauslöschlich ins Unterbewusstsein eingebrannt, dass man 12 Monate später exakt noch davon zitieren kann. Respekt. Neid. Kann ich eher nicht. Was übrigens auch anderswo aufgefallen ist.

Je später der Abend, umso geringer die Zitate, nur noch subjektive Wahrnehmung der Autorin. Sicherlich kein Zufall. Zum Glück weiß sie noch, wo sie ihre Hände hat.

Gegen ein Uhr nachts tippt ihm seine Sprecherin an die Schulter. Brüderle verabschiedet sich von den umstehenden Männern. Dann steuert er mit seinem Gesicht sehr nah auf mein Gesicht zu. Ich weiche einen Schritt zurück und halte meine Hände vor meinen Körper. Die Sprecherin eilt von hinten heran: „Herr Brüderle!“, ruft sie streng. Sie führte ihn aus der Bar. Zu mir sagt sie:“Das tut mir leid.“ Zu ihm sagte sie: „Zeit fürs Bett.“

Welch schöne Pointe. Da hat doch eine Geschlechtsgenossin den frivolen alten Sack so richtig schon zusammengeputzt. Wie einen Schuljungen hat sie ihn abtreten lassen. Köstlich.. Aber da langt Himmelreichs Laura nicht.

Ganz sicherlich will diese aufrechte Streiterin der Demokratie und ihres Geschlechtes auf keinen Fall nur Auflage und Quote mit anrüchigen Geschichten machen. Da wäre eine emanzipierte Frau von  Welt weit davon entfernt.

 

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