Alliterierende Vereinsnamen

Beim Anblick der NOFV-Oberliga Staffel Süd und ihres Spitzenreiters, überlegte ich unwillkürlich, wie viele in sich selbst stabende Vereinsnamen mit geographischem Bezug es gibt. Hier eine – gerne zu ergänzende – vorläufige Liste:

Budissa Bautzen

Kilia Kiel

Vienna Wien

Dnjper Dnjpropetrowsk

SV Greif Greifswald

Wormatia Worms

 

 

War’s das schon? Weiß jemand mehr?

 

Was zu weit geht …

Okay, okay, ich weiß ja. Notleidender Industriezweig und so. Arbeitsplatz sichernde Maßnahmen. Schon klar. Es wird einem leicht blümerant zumute. Und so erträgt man nahezu klaglos die Inflation der Feiertage, die oft und gerne von jenseits des großen Teiches zu uns rüberschwappt. Die spukenden Geister um Halloween, die originalsprachlich mit „Trick or treat“ wenigstens noch mit einer Alliteration aufwarten können. Auch die die Zahl der zu küssenden Personen hat ja durch den „US Valentinstag“ nicht zwingend zugenommen. Wohl aber das Brimborium nebst wohlduftendender Flora drum herum. Und ja doch, es gibt ja auch bei uns noch den guten alten Muttertag. Ein wohlfeiler Tag, der mich so überhaupt nicht tangiert. Wohl aber mein geliebtes Mütterlein. Wehe mir, so ich ihn einmal vergesse. Das Schmollen möchten Sie nicht ertragen. Meine engste  Vorfahrin ist ja sonst eine echt patente Frau. Argumenten zugänglich und so. Und natürlich stimmt sie meinem oftmals dezent vorgetragenem Hinweis vollumfänglich zu, dass der Muttertag in Germanien von den Nazis auf schnödeste instrumentalisiert und missbraucht worden ist, die ja ohnehin in ihrer Ideologie der Frau mehr die Rolle der Gebärmaschine zugeiwesen hatten. Dann nickt mein Liebmütterlein zustimmend. Und schert sich ein paar Monate später nicht die Bohne darum. Nun gut, ich hab kapituliert. Blume 4000 oder FlEUROpfutsch können meinen großzügigen Obolus alljährlich einstreichen. Ist ja für La  Mama. Also einen guten Zweck. Und ich bin ja das einzige Kind. Aber, ich möchte das jetzt noch einmal betont wissen, ABER, was zu weit geht, geht zu weit. Omatag? Diesmal mache ich nicht mit, dieser neumodische Tag zum Wohle der darbenden Pflanzenindustrie wird von mir boykottiert:

 

Der Ball und ich Teil 1

Das 3:2 gegen St. Pauli steckt noch in mir drin. Dieser tolle Kick, bei dem der 1.FC Wundervoll einen 0:2-Rückstand noch in ein 3:2 umbiegen konnte. Und wäre ich noch genussvoll an die Treffer von Torsten Mattuschka, Adam Nemec und Simon Terodde denke, dem heutigen Schlager gegen die Kleeblätter aus Franken entgegenfiebere, versuche ich ähnlich spannende Partien vor meinem geistigen Auge aufsteigen zu lassen. Was gar nicht so einfach ist. Das eine oder andere habe ich ja auf zwei Kontinenten schon gesehen. Nachfolgend einfach mal die Spiele, bei denen ich live im Stadion war. Sozusagen meine persönlichen Highlight aus über zwei Jahrzehnten Stadiongängerei.

 

27. Juni 2010, Deutschland – England 4:2 in Bloemfontein

Ein Tag wie gemalt. Wenn mal von der Anreise absieht. Zeiten, die deutlich vor dem Aufstehen liegen, sind nicht so mein Ding. Aber unser Quartier während der WM lag nun einmal 399 km weiter nördlich zwischen Johannesburg und Pretoria. Und da die Anstoßzeit auf 16 Uhr festgelegt worden war, hieß es sich sputen. Zumal man mindestens zwei Stunden vor dem Spiel da sein musste. Und 400 km in Südafrika nicht zwingend der Verkehrswegigkeit deutscher Bundesautobahnen entsprechen. Fünf Mann in einem Auto waren dabei auch nicht unbedingt der Bringer. Aber egal, da musste man durch.  An die Stadt selber erinnere ich mich nicht. Ankommen, parken, Akkreditierung abholen, Sicherheitsschleusen überwinden, die eines Flughafens würdig waren. Ein bisschen Vorfreue schwebte beim Anmarsch schon mit. Denn 25 000 englische Schlachtenbummler erfüllten mit ihren Gesängen die Luft in der Stadt der Rosen. Schon im Vorfeld hatten die englischen Medien das Spiel gut angeheizt. Martialisch wie so häufig. Deutschland erzittert vor den „drei Löwen“.  Postiv aber allemalen, dass diesmal die Freunde altangelsächsischer Kriegsmetaphorik sich vornehm zurückgehalten hatten. 

Das Spiel ein Traum. Klose und Podolski hatte die Joginatoren nach 32 Minuten komfortabel in Führung gebracht. Die DFB-Eleven spielten sich in einen Rausch, der Anschlusstreffer war ein Schönheitsfehler. Und dann kam das Wembley-Tor.. Besser gesagt die Neuauflage davon. Findige Köpfe wiesen zwar blitzartig nach (siehe Foto), dass der Ball niemals, nie und nicht die Linie hinter Neuer überquert hatte, doch die „Three Lions“ sahen das naturgemäß anders. Am Ende hieß es dank zweier Müller-Tore 4:1 für die Germanen. Und alle Debatten um das hätte, wenn und aber ob des nicht gegebenen Ausgleiches waren – ätschibätschi – nur noch theoretischer Natur. Logo, die Sun und Konsorten heulten ein wenig rum, machten ausgerechnet Lampard zum Symbolbild des Scheiterns. Aber alles in Maßen. Englands Altinternationaler fasste es gegenüber der BBC ganz gut zusammen: „Das war so schlecht, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es war von der ersten Minute an hoffnungslos.“ Und als Augenzeuge musste ich ihm recht geben, war ich der festen Überzeugung, dass auch Lampards Equalizer dem Ausgang der Partie keine Wende verliehen hätte. Zu sehr hatte der Auftritt der deutschen Elf überzeugt. Dann hätte man eben nur 3:2 gewonnen oder 4.2.

 

 

Deutschland Argentinien 4:0, 3. Juli, Kapstadt, Cape Town Stadium

Immer noch ganz euphorisiert durch die Battle of Britain fieberten wir der Partie mit der Albicelste entgegen. Die waren ein ganz anderes Kaliber. Diego „die Hand Gottes“ Maradona als Trainer, dazu der Heiland in irdenem Gewand, aka  Messi. Sozusagen der fleischgewordene Sohn Gottes auf grünem Rasen. Und immer noch mahnte im Hinterkopf die alte These, dass die Jungs mit dem Adler auf der Brust nicht mehr dazu in der Lage sind, einen der Großen zu schlagen. Und England, bei allem Respekt, gehörte schon seit 1966 eigentlich nicht mehr dazu. Memonto mori!

Nun also die Gauchos. In Kapstadt. Eine der schönsten Städte Südafrikas.Und endlich einmal auch etwas Zeit, sich vorher in der Stadt umzusehen. Eigentlich wollte man gar nicht mehr weg. Das Wetter stimmte. Die Stadt summte vor sich hin. Im Hafen kreischten die Möven. Der malerische Tafelberg lud zum Verweilen. So man sich die Mühe machte, ihn zu erklimmen.

Doch natürlich rief die Pflicht. Und auch die Lust. Schon weit vor Anpfiff hatte man sich ins Stadionoval begeben. Es lag etwas in der Luft. Es knisterte. Würde Argentinien Revanche nehmen für die Niederlage gegen Zettel-Lehmann vor vier Jahren? Spötter behaupten ja, das dort im Berliner Olympiastadion folgende Worte auf dem Papier gestanden hätten. „Nicht mehr als zwei halten. Sonst wirkt’s arrogant.“ Nun, Lehmann war weit weg. Berlin auch. Und hier in Kapstadt rollte die Kugel.

Kurioserweise befand sich mitten im teutonischen Pressemob ein südamerikanischer Kollege. Normalerweise trennt die FIFA  weitestgehend die Reporter der Kontrahenten. Nun saß aber dort ein gefühlter 2-m-Hüne mittenmang. Und ward von Sekunde um Sekunde kleiner. Das treffliche Sinnbild der argentinischen Ladehemmung seht ihr unten. Der argentinische Berichterstater jedenfalls  rutschte auf seinem Sessel hin und her. Er sank immer tiefer in sich zusammen, während rings um ihn her sich Unsereiner vor Vergnügen auf die Schenkel klopfte. Wir wussten gar nicht wohin mit unseren Blicken. Das Schauspiel auf dem grünen Rasen war dem auf den Presseplätzen ebenbürtig.  Beim Schlusspfiff saß da ein kleines Häufchen Elend. Gefühlt in Hobbitgröße. Unfreiwilliger Hauptdarsteller  in dem Streifen, „Liebling, ich habe die Gauchos geschrumpft.“ Und wir trauten immer noch unseren Augen nicht ganz über das gerade dargebotene. Unvermittelt kam mir „54 – 74- 90 – 2010“ von Stillers Sportfreunden in den Sinn. Diesmal würde es klappen. Der Griff nach dem Pott! wer sollte diese Joginatoren aufhalten können? Nun gut, Sie kennen die Antwort …

 

 

 

 

 

 

 

 Borussia Dortmund – FC Bayern 5:2, 12. Mai 2012, Berliner Olympiastadion

Boah, ey. Was war ich sauer. Was erlauben Strunz? Ach ne, der spielte ja gar nicht mehr im Dress der Bajuwaren. Aber was der Rekordmeister da im Berliner Cupfinale geboten hatte, war unterirdisch. Eher eine Supernova denn ein Stern des Südens. Sicher, gegen Dortmund kann man verlieren, darf man verlieren. Aber eine Notschlachtung? Der eigens aus München angereiste @probek war auch nicht sonderlich amüsiert. Die zweite Stufe auf dem Weg zum verhassten Vize-Minga, war gezündet worden. Wenig später sollte sie im Finale dahoam gegen Chelsea endgültig in die Umlaufbahn geschossen werden.

Ich verstand es irgendwie nicht. Wo war denn der Ehrgeiz der Roten?  Sicher, Arjen Robben verwandelte diesmal – anders als im Ligabetrieb wenige Wochen zuvor – seinen Elfer. Im Westfalenstadion hatte er zwei Minuten vor Schluss so arg gefehlt, dass der BVB sicher dem Titel entgegenstreben  und bei 6 Punkten Vorsprung nicht mehr durch den FCB gefährdet werden konnte. Allein das hätte doch als Motivation schon genügen müssen, wenn einem schon der Spott egal war, dass man auf eine Stufe mit Vizekusen gestellt zu werden drohte.

Zu sehen war davon nix. Man war ich bedient.

 

Energie Cottbus – Hannover 96 3:1, 5. Juni 1997, Stadion der Freundschaft

Es mag ein wenig überraschen, warum jetzt ein Spiel hier auftaucht von Vereinen, mit denen ich eigentlich weniger verbunden bin. Ist vielleicht auch der außergewöhnlichen Saison der Energetiker geschuldet, die 1997 bis ins DFB-Pokal-Final stürmten und dort gegen den Ligavierten VfB Stuttgart mit 0:2 verloren. Ich erinnere mich noch gut an den Abend wie ich hinterher mit Ingo „Inge“ Schneider, Jens-Uwe Zöphel und Igor Lazic zusammen vor dem VIP-Zelt der Lausitzer nördlich des Marathontores stand und über den geplatzten Traum und ihre Aufstiegssaison parlierte. Die Schneeballschlacht gegen Bundesligist Karlsruhe mitten im April spielte da auch eine Rolle, als Cottbus Euro-Eddy & Co. mit 3:0 aus dem Stadion der Freundschaft kegelten.

Nun, die Relegation gegen Hannover hatte es auch in sich. Der Vergleich mit zwei Schwergewichtsboxern traf es irgendwie. 96 hätte das 1:1 aufgrund der Auswärtstorregel gelangt, Energie wirkte so saftlos, als hätte man ihnen den Stecker rausgezogen. Doch um 21.38 Uhr fiel das Flutlicht aus. Und als die beiden Mannschaften 12 Minuten später weiter machen konnten, flog der beinharte Jens Melzig, der mühelos in jedem James-Bond-Film als Bösewicht akzeptiert worden wäre, vom Platz. Aus die Maus. Schluss der Traum vom bezahlten Fußball. Energie würde  nicht neben Zwickau, Jena und vor allem Hansa Rostock das schmale Grüppchen ostdeutscher Fußballklubs im großen  Ligazirkus verstärken können. Doch dann kam nur eine Minute später Detlef Irrgang und legte wenig später noch einmal nach. Geschafft. Der FCE war aufgestiegen. Und ich war erstmals bei etwas Großem dabei gewesen.

Das ist vielleicht übrigens noch ein Grund, warum mir das Spiel im Gedächtnis geblieben ist. Es hatte mit meinem Weg als Sportjournalist zu tun. Mit Spitzenfußball hatte ich wenig zu tun gehabt bis dahin in meiner Laufbahn. Für das schmale Zeilengeld von 30 Pfennige hatte ich in der Provinz beim Göttinger Tageblatt Vorschauen für die achtklassige Bezirksklasse geschrieben. Auch wenn wenig Später Bezirksliga und Bezirksoberliga dazu kamen, dann von Grone in der Landesliga und der SVG Göttingen in der Oberliga bereichert wurden. An den Platzhirschen der Universitätsstadt, den noblen SC Göttingen 05, ließ man einen freien Mitarbeiter nicht ran. Ih, bewahre. Höchstens auswärts, wo das GT aus Kostengründen keine Mitarbeiter hinschickte und ich auch nur dann zum Zug kam, wenn ich beispielsweise kostengünstig in Oldenburg  oder ähnlichem bei FreundInnen übernachten konnte. Selbstmurmelnd ohne Reisekosten abrechnen zu dürfen .Gut, dass ich seinerzeit einen alten Golf Diesel hatte …

 

FC St. Pauli – SC Paderborn 2:2, 1.4.2013, Millerntor

Es gibt Spiele, über die muss man nicht viele Worte verlieren. Das Remis im Montagabendspiel ist so eins. Normalerweise nix für di Annalen. Doch diesmal war alles anders. Wann erlebt man schon einmal live ein Kopfballtor eines Torhüters. Höchst selten. Umso erfreulicher, wenn man davon Augenzeuge ist. Noch erfreulicher ist es, wenn man es als reiner Besucher im Stadion erleben darf. Bei Bratwurst und Bier halt. Das Dumme am Fußball ist ja, um es vom Herrn Yeboah und seinem legendären Premiere-Werbespott zu entlehnen, jedesmal wenn ich ein Stadion betrete, muss ich ja arbeiten.

 

 

1.FC Union – BFC Dynamo 8:0, 21. August 2005, Stadion an der Alten Försterei

Foto: Hupe

Was hatten wir uns alle aufgeregt. Im Vorfeld. Im Spiel dann auch nicht weniger. Doch dazu später mehr. Das erste betraf die Ereignisse in einer Disco in der Frankfurter Allee, in der die Herren Ordnungshüter am Vorabend des Derbys ein wenig allzugründlich nach den dem Rechten gesehen hatten. Folglich stand die Partie kurz vor der Absage. Das ganze Ambiente war seltsam angespannt. Von der Grünen in voller Montur bis hin zu den 14 200 auf den Rängen. Dann rauften wir uns wieder die Haare. Über Chancentod Karim Benyamina. Der war damals im ersten Jahr eisern. Und  noch ganz weit entfernt davon eines Tages als Rekordtorjäger seinen Dienst an der Wuhle quittieren zu dürfen. Im Spiel gegen die Weinrotweißen jedenfalls ließ er unglaubliche Fehlschützenqualitäten erkennen, auch wenn er am Ende drei Mal eingenetzt hatte. Was er versiebte hätte – gefühlt – für drei Schützenfeste langen müssen.  Egal. Lassen wir das. Er hat sich entwickelt und zu Recht einen klangvollen Namen in der eisernen Ruhmeshalle. Und auch wenn viele es nicht mehr wahrhaben wollen: Hätte Jörn Lenz mit seinem Freistoß kurz vor der Pause auf 1:2 verkürzt, wer weiß, welchen Verlauf die Partie dann genommen hätte. Doch hätte, wenn und aber. „You know who“ traf nicht. Jack Grubert kurz nach der Pauseaber  schon. Was so ziemlich das Einzige ist, wofür er in Köpenick in Erinnerung blieb. Und am Ende war es ein rauschendes Fest im Ballhaus des Ostens. Was den 1.FC Wundervoll übrigens nicht daran hinderte, den Trainer dieses Sieges wenige Wochen später zu entsorgen, ihn zu einer Randnotiz in der Geschichte der Eisernen verkommen zu lassen

 

Und weil ich gerade merke, dass ich viel zu sehr ins Plaudern gekommen bin, beschließe ich, meine aufregendsten Spiele in zwei Teile zu teilen. Mehr also demnächst auf diesem Sender. Oder wie es immer so schön in Comics heißt: Fortsetzung folgt.

 

Bastelanleitung als Liebeserklärung.

Um es vorwegzunehmen: Ich wollte dieses Buch nicht lesen. Diese „Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt.“ Allein schon deshalb, weil ich Liebe nicht erklärt bekommen möchte, sondern erleben will.  Fühlen will. Schwerwiegender noch: Als ich „111 Gründe, den 1.FC Union Berlin zu lieben“  das erste Mal in den Händen hielt, hatte es einen nahezu gleichnamigen Begleiter in blau, der sich mit einem Charlottenburger Verein beschäftigte. Eine kurze Recherche später musste ich feststellen. Das ’schloburger Druckerzeugnis war nicht der einzige seines Typs. Identische Klone für nahezu jeden Fußballverein, der ein wenig mehr Historie als die TSG 1899 oder der Rote-Brause-Verein aus Leipzig aufweisen konnten, drängten zu Hauf auf den Markt. 08/15 also würde mich erwarten. Nee, dann doch lieber auf den ebenso fleißigen wie stets etwas nörgelig daherkommenden Wegbegleiter Matze Koch und dessen epochales Werk „Immer weiter ganz nach vorn“ warten. Der nicht gerade für seine eiserne Zurückhaltung bekannte Quasi-Monopolist der modernen Union-Berichterstattung würde mit Anmerkungen zum Ist-Zustand des 1.FC Wundervoll nicht hinter dem Berg halten. Und da das seit mindestens zwei Jahren immer ein Gesprächsthema auf unseren zahlreichen Auswärtsfahrten gewesen ist und sein wird, könnte ich im Grund auch darauf warten.

Unabhängig davon muss ich noch anmerken: Ich mag keine Fußballbücher. Sie langweilen mich. Auch wenn ich ein paar davon gelesen haben. Frank Willmanns einstmals als Union-Bibel willkommenen geheißenes „Eisern Union“ zum Beispiel. Den Titel Bibel verspielte er sich trotz Aktualisierung und einiger Nachträge durch ein Werk über den DDR-Rekordmeister. Ein Verein, der bei Unionern namentlich nicht stattfindet. „You know who …“  Auch die danach entstanden Bände, beispielsweise von Tino Czwerwinski und Gerald Karpa, habe ich mir reingezogen. Auch Sam Pfaffs Karikaturenbuch „Voll dit Leben – Eisern Union“, welches – strenggenommen – kein Fußballbuch ist, sondern eine gezeichnete Homage an die Eisernen. Und natürlich auch das geniale Oranje brillant von David Winner, ein Buch, das so betörend sein soll wie eine Körpertäuschung von Johann Cruyff. Doch nichts von alldem hat mich so überzeugt wie der Godfather der Fußballautoren, Nick Hornby, mit seinem Fußballfieber.

Aber da lag es nun vor mir. Und der „lack of better things to do“ trieb mich dazu, es aufzuschlagen. Dies aber, wie oben angemerkt, anfangs eher mit Widerwillen denn Begeisterung. Denn allein der Titlel machte schon deutlich, es konnte sich nur an eine einzige Zielgruppe richten. Die der unerschütterlichen, im Glauben festen Eisernen.

Womit ich – bei aller innigen Zuneigung – schon immer ein Problem hatte. Im aktuellen Merchandise-Katalog gibt es eine sehr ehrlich Seite. Selbstverliebt? Steht da. Und wird mit einem fetten ausdrücklichen Ja! beantwortet. Eben in diese Kerbe schlägt Nussbückers Buch auch. Es überhöht – wenn auch qua Auftrag – den eigenen Verein und steht damit nicht zwingend für gelebte Toleranz in der Fußballkultur. Etwas, das meines Erachtens dringender denn je bewahrt werden sollte. Nicht nur bei Union.

Kritik oder dergleichen war also bei Nussbücker eher weniger zu erwarten. Und reine Lobhudelei ist nun mal nicht mein Ding. Allein schon der Titel las sich wie ein „Union für Anfänger“. Ein moderner Do-it.yourself-Ratgeber, der sich den „Nachfahren der Schlosserjungs“ widmete, weil sie eben gerade trendy und hip sind. Die kleine Bastelanleitung: So werde ich ein  voll cooler Rot-Weißer. Scheiß Kommerz, so mein erster Gedanke..

Ich will es jetzt nicht mit Marcel Reich-Ranicki halten und von einem bemerkenswerten Buch sprechen. Aber es hält imho  weitaus mehr, als es auf den ersten Blick verspricht. Vielleicht die größte Stärke des Buches ist es, dass es eben nicht als Chronik daherkommt, die von den langwierigen Anfängen in grauer Vorzeit erzählt, sich mühsam durch die Fallstricke der Historie windet und dann endlich in der Gegenwart einen Heiligenschein ausbreitet. Häppchenweise werden von Nussbücker bunte Anekdoten ausgebreitet. Man kann das Buch jederzeit weglegen, dort weitermachen, wo man aufgehört hat. Oder einfach an einer x-beliebigen Stelle wieder anfangen zu lesen.

Und so hangelt man sich munter durch. Grinst. Nickt beifällig, wenn man sich und/oder die eine oder andere Episode wiedererkennt.

An einer Stelle bin ich übrigens fast persönlich ein kleines bisschenbeleidigt. Nussbücker hat bei seinen Recherchen natürlich auch auf zeitgenössische Druckerzeugnisse zurückgegriffen. Und so findet sich auf Seite 263 unter der Fußnote 28 ein Artikel von mir aus dem Kurier als Quelle. Ein gewisser MB – so mein Kürzel bei meinem Brötchengeber – hatte sich einer simulierten Vollkörperkontrolle unterzogen. MB? Wtf?  Nussbrücker macht sich nicht die Mühe, den Klarnamen zu verwenden, sond ern nutzt ungerührt das Zeitungskürzel. Hätte ja auch Arbeit erfordert, diesen rauszufinden. Schließlich schreibt MB erst seit 14 Jahren über die Eisernen. Muss man nicht wissen …

Und so erscheint ein  gänzlich der Union-Affinität unverdächtiger  BZ-Autor an anderer Stelle als veritablere Quelle für die Geschichte der Eisernen,  der maximal in der Urlaubszeit –  wenn all seinen eisernen Kollegen mit Abwesenheit glänzen, –  in voller Schönheit und Gänze seines Namens mal ein Artikelchen über die Köpenicker verfasst hat. Obwohl er streng genommen so viel mit den Rot-Weißen zu tun hat, wie Eisbären am Südpol zu finden sind.

Künstlerpech, möchte man meinen. Doch es offenbart auch etwas anderes. Nussbücker hat sich bei seinen schnellen Forschungen zum Buch wohl im Wesentlichen auf im Internet zugängliche Quellen gestützt. Dieser Fundus wuchs exponential an mit der Neuzeit. Folglich schlägt sich das auch in seinem Werk nieder. Das bedruckte Papier, so es denn nicht aus der Hand der Programmierer war, hat er weniger verwendet. Und bei gerade oben erwähntem Beispiel merkte man ihm deutlich an, dass er nicht vor Ort war bei der simulierten Kontrolle. Ob unsere Ultras da mit mir glimpflich umgesprungen sind – Beispiel Karton unten den Füßen – oder ich ihnen Ideen für bessere Fotos aufnötigte, um die Geschichte besser ins Bild setzen zu können, weiß Nussbücker nicht. Hindert ihn aber nicht daran, darüber ein Urteil zu fällen.

Nussbrücker will unterhalten. Das gelingt ihm. Zweifelsohne.Schön seine selbstironischen Anmerkung zur Handhabung von glücksbringenden Ritualen beim Stadionbesuch (Seite 174 f.).  Doch manchmal bleibt er dabei an der Oberfläche. Es ist eben nicht – wie auf Seite 51 erwähnt – ein rammsteinwürdige Gitarrenwand zwischen dem Theater-Intro und der Nina-Hagen-Hymne, es ist Rammstein. Mit ein Grund, warum die Gesamtlänge nicht im offiziellen Handel zu finden ist. Denn die Musiker um Till Lindemann dulden diesen liebenvollen Missbrauch, nicht aber die kommerzielle Nutzung. Was aber auch irgendwie verständlich ist.

Ein weiteres Manko seiner Erzählungen. Er ist nicht zwingend des Auswärtsfahrens verdächtig. Der Bewegungsradius bei Gastspielen scheint  maximal entlang der Spree zu verlaufen. Und so entgehen ihm natürlich einige hübsche Anekdoten entlängs der Reiserouten durch diese Republik. Die Sonderzüge des V.I.R.U.S. beispielsweise, die auf einigen Rücktouren hübsch von der Mannschaft begleitet wurden. Auch den Drachenboot-Fun-Cup fand ich nicht wieder oder habe es überlesen. Egal. Alles Gute kann eh nie zusammenkommen.

Man merkt aber, dass Nussbücker – obgleich Altfan laut Selbstauskunft – stellvertretend für die Kategorie der 21-Jahrhundert-Unioner steht. Also derjenigen, die nach 2005/06 den Weg an die Wuhle fanden. Manche mir in 14 jähriger Arbeit liebgewonnene Namen tauchen gar nicht oder höchst spärlich auf. Steffen Baumgart beispielsweise. Sven Beuckert. Oder Ronny Nikol und Tom Persich. Frank Pagelsdorf wird nicht erwähnt. Georgi Wassilew höchtens en passant.

Übrigens ist dieser Leitfaden für Union-Besucher trotzdem gar nicht so übel. Er ist in einem amüsanten Stil geschrieben. Locker. Leicht verdaulich. Und er konfrontiert Gäste, Gelegenheitsbesucher und Groundhopper durchaus mit Union spezifischen Eigenarten, die man sich immer vor Augen halten sollte, wenn man an der Alten Försterei weilt. Ein Buch, das auch später Geborenen oder aus anderen Bezirken denn Ostberlin stammenden Fußballfreunden einiges klar macht und einem die eiserne Kultur näher bringt. Es ist halt nicht nur eine Homage für Eiserne, sondern auch eine Bastelanleitung für Neu-Unioner und solche, die es werden wollen. Eine humorvolle zwar, aber.eben eine Bastelanleitung. Aber Basteln muss ja kein schlechter Zeitvertreib sein. Zumal das Büchlein mit seinen 9,95 Euro durchaus erschwinglich daherkommt.

 

P.S. Kuriosum am Rande: Sowohl Nussbücker als auch Frank Willmann kommen aus Thüringen. Besagter Matze Koch hält es – obwohl Berliner – auch mit „Blau-Gelb-Weiß …“ Schon komisch, dass so viele eiserne Buchautoren irgendwie mit CZ ena verbandelt sind.

Nippes

Na logo bin ich Fußballfan. Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht. Und schon gar nicht darum, für wen mein Herz schlägt. Doch unabhängig davon gehöre ich nicht zu den Leuten, deren Heim in einen Heilig Schrein umgewandelt wurde. Die Devotionalien sind eher spärlich gesät. Ein Triplefahne hängt als Staubwedel irgendwo in einem Bücherregal herum. Und da auch weniger aus Flagge-zeigen-Gründen als aus einem bierseligen Moment heraus, weil ich bei zwei der beiden Finales live im Stadion dabei war und vor allem den DFB-Pokal feinsterweis mit Gerstenkaltschale und so rechts neben der VIP-Tribüne genißene konnte. Hinterher wollte ich das gute Teil nicht wegschmeißen, weil es doch auf seinem langen Weg vom Oly bis zum Ostkreuz ein treuer Begleiter gewesen war. Zumindest hatte es gegen seine Entführung nix gesagt und auch sonst nicht groß widersprochen.

Ansonsten schmückt mein Domizil nicht viel. Zwei kleinere Wimpel hängen halb versteckt hinter einer Küchenrollenhalterung. Die Trikots, die ich mein Eigen nenne, sind säuberlich hinter einer Schranktür verborgen. Und auch von zahlreichen alltagstauglichen T-Shirts ist mir das eine das Liebste, das nicht mit dem Vorschlaghammer den Fan anzeigt. Alte Försterei – Selfmade in Köpenick“ verkündet es die Botschaft über dem Wappen des heutigen Stadtbezirkes. Eine Botschaft, die Unwissende eh nicht dechiffrieren können. Und die Erleuchteten nicken wissend und beifällig.

Und doch hat sich Laufe der Jahre allerhand Nippes und Plunder angesammelt. Kleine Buttons wie der von S.E.O.N. Oder ein nie im Handel gewesenes Plektron. Auch ein geschenkter Bärchenpin. Dazu einige  Kaffeetassen aus Milchglas mit mattem, dezenten Logo, die es heute nicht mehr gibt. Und die natürlich obligatorischen Bierbecher mit rot-weißen Stadionmotiven, die man aber auch von Rockkonzerten gern als Souvenir nach Hause schleppt. Erstaunlicherweise sind sogar ein paar Kleinigkeiten von den Millerntorkickern mit in meiner Bleibe gelandet. Und zwar deutlich mehr als vom Stern des Südens. Beispielsweise eine schwarze Gummiente mit Totenkopf-Motiv und rotem Schnabel, die zusammen mit ihrem roten Gegenstück im Badezimmer vor einer Berlin-Flaggen-Seife ihr Unwesen treibt.Was die beiden sich des Nächtesn wohl zu erzählen haben. Da möchte man doch mal Mäuschen spielen.

Nicht viel also, wenn man bedenkt, dass ich seit 14 Jahren den Eisernen folge. Zunächst nur rein beruflich. Dann aus Leidenschaft. Am Ende auch als Stadionbesitzer. Aus Überzeugung. Alles ganz dezent. Und das ist auch gut so. Muss ja nicht jeder, der meine Feste betritt gleich durch meine Vorlieben erschlagen werden.

Tisch Bunki

Ich hab’s geschafft. Endgültig. Der Eintrag in die Ruhmeshallen ist mir nicht mehr zu nehmen. Doch, doch. Und ich bin auch ein kleines bisschen stolz drauf. Gibt ja so Sachen, die sind nicht zu bezahlen. Und für alles andere gibt es ja bekanntlich Mastercard.

Ich bin keine austauschbare Nummer mehr. Sonder endgültig angekommen im Olymp der Unverwechselbarkeit. Der Gastronom meines Vertrauens hat mich- gottseisgetrommeltundgepfiffen –  final geadelt. Zu recht. Als Ehrenvorsitzender des Komitees zur Unterstützung notleidender Wirte – eien Aufgabe, die ich ernst nehme –  trug ich meine Bestellung immer schon zielgerichteter vor als andere. Ein sonor vorgetragenes „303  für die 17“ und schon schäumte der kühle Gerstensaft standesgemäß vor mir auf dem Tische, ohne dass der arme Keller den mühevollen Umweg des Übersetzens in seinem Gehirn (Ein Radeberger – also 303  – auf  Bunki bonieren, der an Tisch 17 sitzt) gehen musste. Das ist nicht mehr nötig. Solcherlei kryptische Hieroglyphen gehören endgültig der Vergangenheit an. Egal übrigens, wo ich Platziert werde. Denn künftig bin ich – siehe unten – mein eigener Tisch.

Wenn dir St. Pauli auf den Geist geht …

http://youtu.be/VkdyFPMbUGE

 

Ja, doch. Ist klar. Von wegen Blutsbrüder und so. Geht euch auf den Sack, okay. Man muss St. Pauli ja nicht gut finden. Keineswegs. Aber hört endlich auf, uns  – denen das nicht so geht – aufoktroyieren zu wollen, dass die Kiezkicker scheiße sind.

Es geht einem auf die Nerven. Akzeptiert doch endlich auch einmal, dass es nicht zu verachtenswerte Mengen  in der Fanlandschaft des 1.FC Wundervoll gibt, die dererlei offene Ablehnung nicht teilen. Und die mündig genug sind, einen anderen Klub eventuell auch zu mögen, ohne sich damit im geringsten angebiedert zu haben.

Und mir ist schon klar, dass ihr nicht hören wollt, dass die Jungs vom Millerntor 2004 weit vor den Bayern und der alten Tante für einen Benefizkick zur Verfügung standen, als es darum ging Union die Lizenz zu retten.

Gründet ruhig eure Facebook-Gruppe, aber verschont mich mit Einladungen dazu. Findet alles außer Union scheiße und erklärt mir mal, warum ihr dann zu Fußballspielen geht, wenn der Gegner euch ohnehin nur am Allerwertesten vorbeigeht.

Geht es nicht auch mal anders als immer nur Wir gegen Die? Kann man das nicht auf einige wenige Klubs beschänken, bei denen die Abneigung historisch gewachsen ist. Muss man sich immer wieder neue Feindbilder suchen, weil die alten abhanden gekommen sind? Man kann Fußball auch genießen, indem man nur für etwas ist, nicht gegen. Nur mal so nebenebei.

Diese ostentative, lautstarke  Ablehnung eines Gegners, mit dem einen nicht der geringste Konflikt verbindet – es sei denn ein politischer. Und Politik sollte doch aus dem Stadion rausbleiben, wenn ich mich recht entsinne -, spielt doch nur den Herren Ordnungshütern in die Hände,. rechtfertigt deren Massenbetriebsausflüge und deren obligatorische Litanei über zu hohe Kosten.

Je lauter ihr krakelt, desto mehr werden die sich die Hände reiben und auf ihre unabdingbare Massennotwendigkeitspräsenz verweisen.

Kann man nicht einmal einfach ein Spiel um des Spieles Willen genießen? Den Wunsch nach einem tollen Stadionerlebnis im Vordergrund stehen lassen? Sich darüber zu freuen, dass es auch Kicks gibt, bei denen nichts passiert. Passieren muss. Bei denen man im Vorfeld gar nicht auf den Gedanken kommt, dass da was anderes los sein sollte als ein Fußballfest, das am schönsten mit einem fetten Dreier zu zelebrieren ist, bei dem aber der Bessere halt gewinnen soll.  Zu denen man eventuell auch seine sonst nicht so Stadion affine Tochter guten Gewissens mitnehmen könnte, um ihr zeigen kann, Fußball ist nicht so, wie ein gewisser Gewerkschafter der Polizei laufend zu suggerieren versucht.

Hört also endlich auf, meinereinem und Co. den Spaß verderben zu wollen, indem ihr uns vorschreibt, wenn wir zu lieben oder zu hassen haben.

 

Bleibt das immer so

Der erste Ton ging unter im Jubelsturm der Menge. Da stand sie nun da. Im Rampenlicht. Gefeiert von den Massen. AnNa R. Die Frau, durch die ich der Bunkine gegenüber wortbrüchig geworden bin. Werden musste. Ich hasse das. Pacta sund servanda. Und normalerweise gebe ich keine Versprechen, von denen ich nicht weiß, ob ich sie erfüllen kann.

Doch nichts von alledem tut mir leid. Denn diesmal war es wirklich nicht meine Schuld. Echt nicht.

Nun gut, man könnte mir vorwerfen dass die frühkindliche Musiksozialisation meiner Tochter völlig schiefgelaufen ist. Nur weil ihre beiden sich sonst nicht immer so einigen Altvorderen voll krass auf Rosenstolz standen, hätte man die zarten Kinderohren damit nicht malträtieren müssen. Doch da wir unseren Erziehungsauftrag nun schon einmal schmählich vernachlässigt hatten, lag nix näher, als dem Kinde das Objekt der Begierde persönlich vor Augen führen zu wollen, sprich der damals fast 10-Jährigen einen Konzertauftritt des Duos in der Freilichtbühne Wuhlheide zuzumuten.

Es war – Sie können es sich denken – ein voller Erfolg. Mochten die Augen auch fast zuklappen zu vorgerückter Stunde, die Erlaubnis die Bühne zu verlassen, ward nicht erteilt, bevor der letzte Akkord verklungen war. Endgültig angefixed, das gute Kind. Natürlich ließ mich ihre  vorgetragene Textsicherheit mit stolzgeschwellter Brust verkünden, dass wir im kommenden Jahr selbstmurmelnd ein weiteres Mal AnNa R. die Königin auf unserer Bühne sein würden lassen. Ein leichten Herzens gegebenes Versprechen, da sie Irgendwo in Berlin immer ihr Unwesen getrieben hatte, seit ich 1996 erstmals auf sie aufmerksam geworden war. Für die Bunkine war allein schon das Versprechen an sich eine – bescheiden wie sie nun mal ist – Überdosis Gück.

Es kam – Sie ahnen es aufgrund der weiter oben gemachten Ausführungen –  Anders als geplant. Sie kamen und gingen. Erst fanden die Konzerte nur unter der Woche statt, was einem Schüler jüngeren Baujahres nicht zwingend als Termin anzubieten war. Ein Hosenkonzert in der Waldbühne als Ersatz war zwar nett, aber auch nur Irgendwo dazwischen. Jedenfalls nicht AnNa und Peter. Dann  kam ein erstes Burnoutsyndrom weiblicherseits. also Anna, nicht die Bunkine. Nur einmal noch, wollten wir ihr entgegenrufen. Doch sie vernahm unser Flehen nicht.  Vielleicht auch, weil sie um unsere Existenz gar nicht wusste. Am Ende wollte dann  der Herr Plate auch nicht mehr so recht. Mittlerweil stellte sich recht unbarmherzig die Frage  Wie weit ist vorbei?.  Als Wir sind am Leben erschien, schien das zunächst als großes Versprechen. Die Hoffnung kehrte zurück. Aber eine Rückkehr auf die Bühne fand nicht statt. Und aus den ganzen Trennungsgerüchten wurde dann bittere Wahrheit. Plötzlich wacht man auf und Es ist vorbei.

Doch irgendwo ist immer Licht am Ende des Tunnels. Und  da stand ich nun vor der neuen Hoffnung. Sicher, Gleis 8 war nicht Rosenstolz. Und als ich das erste Mal die CD anhörte, war ich seltsam enttäuscht. Das war Anna. Ohne jeden Zweifel. Und doch nicht dasselbe.  Es fühlte sich falsch an. Allein schon wegen des Wettrennens, das sie und Peter sich geliefert hatten, wessen Soloprojekt denn als erstes auf dem Markt erscheinen würde. Peter legte zwar mit „Schüchtern ist mein Glück“ vor, aber es war wie immer auf den Konzerten. Einzelne Lieder waren unabdingbar. Und sei es nur, weil Anna so die nötige Zeit fand, ihr Bühnenoutfit mal wieder einem Wandel zu unterziehen. Aber Peter einen ganzen Abend lang zuzuhören, ne, das ging dann irgendwie doch nicht.

Musste ich auch nicht. Zumal mir auch der kleine Silberling von mal zu mal immer besser gefallen hatte. Und nun live. Gleis 8 waren großartig. Gitarrenlastiger als Rosenstolz.Härter. Nicht so balladesk. Was ich ja anderenortes auch schon mal beschrieben hatte. Das längst verloren geglaubte Gefühl war wieder da. Das Astra als Location perfekt. Nicht zu groß, nicht zu klein. Es hatte was von einer Retrotour. Sozusagen zurück zu den Wurzeln, als Anna und Peter in kleineren Clubs aufgetreten waren und noch nicht mühelos die Kindlbühne in der Wuhlheide füllen konnten.

Routiniert wurde sich nach überwundener Anfangsnervosität am Publikum abgearbeitet, ohne dass es sich veralbert vorkam. Kokett und sinnlich die Texte. Mal nachdenklich und dann beschwingt.  Man merkte, da standen ein paar Musiker auf der Bühne, die vor allem eins hatten: Wirklich Spaß an ihrer Arbeit. Und so ihr Publikum mitnahmen.

Auch ich erwischte mich dabei, dass ich mit dem iPhone versuchte Momentaufnahmen für die Ewigkeit zu erstellen. Wohl wissend, dass am heimischen PC das alles nicht halb so gut rüberkommt wie live und in Farbe. Selbst meine Begleitung, der deutschen Zunge als junger, gerade mal zwei Wochen ins Land eingereister US-Bürger nicht im geringsten mächtig, ist erbaut, verzichte dankend auf meine textlichen Übersetzungen, um sich allein den Rhythmen hinzugeben. Und mit jedem Lied mehr steigerte sich beim Zuhören der Wunsch, dass doch bitte, bitteschön da vorne nicht zu früh aufgehört wird.

Ein frommer Wunsch. Wer nur ein Album auf seiner Seite hat, der kann kein Füllhorn über einen ausschütten. Ist halt so. Auf alte Rosenstolz-Ergüsse wartete man daher vergeblich. Anders als eine Tarja Turunen hat AnNa R. sich nicht aus dem reichhaltigen Fundus altgedienter Songs bedient, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen. Aber das war ja irgendwie auch klar. Gleis 8 hatte im Vorfeld schon genug damit zu tun gehabt, diese Vergleiche möglichst weit klein zu halten. Und wenn man es unbedingt will und genug darüber weiß, dass Peter der Marketender unter den beiden und am Ende der treibende Keil in der Trennung gewesen ist, kann man „Geh mit dem Teufel trinken“ durchaus als eine Abrechnung mit ihrem alten Gspusi sehen.

Was muss sich ändern, damit alles bleibt wie’s ist?, fragt Gleis 8 in einem ihrer Songs. Eigentlich nichts. Nur weitermachen müssen sie. Und dann vielleicht auch mal mit Terminen, an der die Bunkine kann. Denn wie es der Zufall wollte, auch diesmal war sie verhindert.