Zwiespalt der Gefühle

Ich bin hin- und hergerissen. Was soll ich von Herthas 1:4 gegen die Wölfe halten? Eigentlich bin ich ja ein großer Anhänger von Stadtderby reloaded aka Stadtmeisterschaft2.0. Doch die Häme, mit der das eiserne Lager den Niedergang der alten Dame begleitet, stößt mich ab. Sicher, Fußball ist kein Mädchenpensionat. Gesunde Schadenfreude gehört beim Spiel der Emotionen mit Sicherheit dazu. Und natürlich habe ich auch Witze gerissen. Doch, imho, ist es derzeit eher angebracht, sich eisern zurück zu halten. Schon vergessen, wie es uns zwischen 2003 und 2005 erging?

Und die Wahrscheinlichkeit, dass Hertha sich rettet, sinkt mit jedem Spieltag. Ich weiß. Auch wenn ich an anderer Stelle die Blau-Weißen noch nicht abschrieben habe. Rein statistisch gesehen haben sich seit Einführung der Drei-Punkte-Reglung 40% der Ligavorletzten noch retten können. Also sechs von 15 Teams sprangen dem Tod noch einmal von der Schippe. Im Vorjahr gelang sogar dem Schlusslicht das Kunststück. Es ist also noch nicht vorbei. Egal, wie elend es sich anfühlen mag.

Und Otto, der Fünf-vor-Zwölfte, tut mir fast leid. Dabei mag ich ihn nicht besonders. Was soll er denn jetzt anders sagen, als dass er  nicht aufsteckt? Wenn er das täte, möchte ich das Medienecho sehen, dass auf ihn einprasselt. Jetzt, wo er es nicht macht, gehen jedem die Durchhalteparolen auf den Keks.  Wie man es macht, es ist verkehrt…

Wenn ich die Situation der Charlottenburger heuer mit der vor zwei Jahren vergleiche, habe ich rein subjektiv gesehen das Gefühl, dass das Rehhagel-Team besser drauf ist. Denn es spielt – anders als die Hertha unter Wolfgang Funkel – auf Sieg. Und schon der nächste könnte sie auf den Relegationsrang spülen. Und dann wäre sogar noch mehr drin.

Funkels ewige Durchhalteparolen  („Man muss nicht jedes Spiel gewinnen“) ermüdeten, weil Hertha die ganze Zeit von hinten heraus auf Teufel komm‘ raus eine Aufholjagd starten musste, und jeder flehentlich auf den Startschuss wartete. Er wirkte wie ein großer Zauderer, der die Realität nicht wahr haben wollte. Otto ist von anderem Kaliber.

Wie gesagt, ich bin hin- und hergerissen.

Alte Meister

Foto: Matze Koch

Wie jetze? Der Otto mag nicht mehr? Also Klassiker zitieren? Schade eigentlich. Wo doch allein schon seine Verpflichtung hochgradig nach Goethes Faust roch („Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“ – „Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehn.“). Aber lassen wir das. Er will halt nicht mehr. Wird bei seinem Sendungsbewusstsein, aber eher kaum der bei der Gauck-Wahl fälschlich angewandten Heine-Adaption („Denke ich an Bayern in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“) geschuldet sein. Denn der gute Heinrich H. wurde nicht von den Feinden um seine wohlverdiente Ruhe gebracht. Er sprach nicht von Frankreich, England oder Russland, sondern von seinem Vaterland, welches in munterer Kleinstaaterei vor sich hindilitierte. Aber lassen wir das, Otto hat das bestimmt gewusst. Und zu sagen, frank und frei, dass ihn Hertha NullSechs um den Schlaf gebracht habe, hätte ja nur wieder die Kritikaster auf den Plan gerufen. Von wegen „Flinte ins Korn werfen“ und so.

Halten wir fest. Er will nicht mehr. Und kommen wir zurück zu „schade“. Wenn er nicht will, dann müssen wir halt. Und da er ja mal wieder gewonnen hat, man trotz des Tabellenplatzes nicht mehr despektierlich von König Otto, dem Vorletzten hämen kann man getrost beide Varianten anwenden, ohne übermäßig der Schadenfreude geziehen zu werden. Los geht’s.

Steuermann Rehhagel

Otto Rehhagel!
„Wer ist Otto Rehhagel?“
„Otto Rehhagel war unser Steuermann,
aushielt er, bis die Hertha das Ufer gewann,
er hat uns gerettet, er trägt die Kron‘,
er  hielt uns oben, unsre Liebe sein Lohn.
John Maynard.“

Und weiter im Text:

Der Ring des Ottokrates

Er stand auf seines Daches Zinnen,
Er schaute mit vergnügten Sinnen
Auf all seine Ottonen hin.
„Dies alles ist mir untertänig,“
Begann er gar, der Otto-König,
„Gestehe, dass ich glücklich bin.“

Den hier hätten wir auch noch, passend für einen Mann der von sich sagt, dass seine Pläne immer richtig sind:

Erl-König Otto

Wer reitet so spät im LIga-Wind?
Es ist der Otto nebst Hertha-Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Abstieg nicht?
Den Erlenkönig mit Kron‘ und Schweif? –
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

Und falls es am Ende nicht langt, hier noch „zwei kleine Nachrufe“

Der Pottonter

Sein Blick ist angesichts der Tabelle
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob’s noch tausend Spiele gäbe
und hinter tausend Spielen keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

und:

Der Handschuh

In seinem Stadiongarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Otto,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und droben auf hohem Balkone
Die VIPs beim Risotto.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein blau-weißer Kicker tritt,
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen,
Und streckt die Glieder,
Und legt sich nieder.

Und der Gegner in schnellem Lauf
Fegt durch den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der blau-weißen Mitte
Nimmt er die Punkte mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Muss die alte Dame den Abstieg schauen,

Nur Otto hält oben sein Gesicht:
»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,
Und verlässt sie zur selben Stunde.

 

 

 

 

 

Szenen meines Lebens X

Alles neu, macht der Mai. Auch wenn wir jetzt schon den Juni haben. Aber früher fingen die Eisernen nun mal  nicht an, dem Spielgerät übenderweis nachzujagen. Also ward ihre schmucke Kollektion auch nicht früher zu bewundern. Doch ich staunte nicht schlecht, als ich nicht nur trendige, neue  Klamottten von Neu-Ausrüster Uhlsport entdecken durfte, sondern eine  – von zugegebenermaßen zwei – BSR-look-a-like-Weste. Eine davon trägt meinen Spitznamen.

Nicht, dass der „Bunki der Woche“ wirklich neu war bei Union. Und eigentlich auch keine Auszeichnung. Doch zuvor war er halt pinkfarben. Und wie es dazu kam, ist von den Kollegen von www.textilvergehen.de hinreichend erklärt. Und weil bei Union alles Neuhaus ist, und nichts so bleibt, wie es mal war, macht der sich dieser Tage doch glatt Gedanken, den „Bunki der Woche“ abzuschaffen und durch etwas Neues zu ersetzen. Stimmt mich irgendwie ein bisschen traurig.

Sommermädels

Ja, doch Sommermädchen, äh Sommermärchen. Auf ein Neues. Und alles schöner und besser. Vor allem hübscher.  Ist ja Frauenfußball. WM. Im eigenen Land. Alles hypt also rum. Beispielsweise ein lokaler Radiosender, der sich heute erdreistete,  sich über die Boulevardblätter dieser Stadt zu mokieren. Warum denn bitte schon die Bundesliga-Spielpläne überall schon zu lesen seien, aber kein einziger WM-Spielplan. Welch Einsatz für die Damen. Wie altruistisch. Und hat überhaupt so gar nichts damit zu tun, dass besagter Sender eine offziziell bei der FIFA lizenzierte Übertragungsanstalt für die Damen-WM ist. Nein, natürlich überhaupt nicht. Das wäre ja im höchsten Maße parteiisch …

Sommermärchen also. Mit Verlaub, gähn! Es wird nicht wie 2006. Es wird nett. Schön. Vielleicht sogar spannnd oder erfolgreich. Aber es wird kein ganzes Land in den Bann ziehen. Da können die gebührenfinazierten noch so sehr rumplakatieren. Und dabei ein klassiches Eigentor schießen. Denn wenn unsere Damen eins hassen und wiederholt öffentlich ablehnten, dann mit dem Profifußball der Herren verglichen  zu werden. Das seien laut Selbstauskunft der Damen zwei unterschiedliche Sportarten!

Doch was machen ARD und ZDF? „Dritte Plätze sind was für Männer“ spielen sie auf die WM 2006 und 2010 an, als Jürgens Klinsmänner und Jogis wackere Löwen jeweisl mit Bronze dekoriert vom Weltturnier zurückkamen. Noch schlimmer ist wohl das Plakatv  „Jungs, wir rächen euch“. An wem oder was denn, bitteschön?  Italien für 2006? Gar Spanien wegen der Euro 2008 oder das Aus im Halbfinale in Südafrika?  Kleiner Schönheitsfehler. Die stolzen Iberer mögen zwar Nr. 1 im Weltfußball der Herren sein. Bei den Damen aber sind sie – wie auch die Kickerinnen von der Apenninhalbinsel – nicht mal qualifiziert …

Obstsalat a la Pisa!

Krypotografie ist was Feines. Man tauscht muntere Botschaften miteinander aus und freut sich diebisch, wenn das Gegenüber nur Bahnhof versteht. Nachrichtendienste verwenden nicht wenig Zeit darauf, Botschaften zu chiffrieren oder wieder zu entschlüsseln. Von hinten, von vorne. Und dann nochmal. Hollywood wäre ohne all das um einige Blockbuster ärmer. (Und die Welt trotzdem kein schlechterer Platz)

Manch Botschaft wird heutzutage viel subtiler transportiert. Bewusst offen transportiert. Abkürzungen und Initialen werden durch Zahlen ersetzt. Oder vice versa. Eine der bekanntesten Abkürzungen rund um den Fußball ist das berühmte A.C.A.B. Es steht für „All Cops are Bastards“. Oft und gerne auch als 1312 umschrieben. Dass die so Betitelten sich das wenig gern gefallen lassen und ihrerseits darauf reagieren, oft mit zur Verfügung stehender Amtsgewalt, muss nicht groß erwähnt werden.

Also mühen sich die findigen eher staatsuntragenden Kreise, im Nachfolgenden hier stelltvertretend nur Ultras genannt, ihrerseits, ihre Botschaft verschlüsselt an den Fan rüberzubringen. Und zwar ohne gleich dafür haftbar gemacht werden zu können. Gerne nutzt man dann wohlfeine Symbolbilder, die Eingeweihte schmunzelnd zu deuten wissen. Doch was sich die Herren vom Wuhlsyndikat bei unten abgebildetem als Sticker erhältlichen Obstsalat gedacht haben, lässt einen doch ein wenig ins Grübeln kommen.

FCUB ist das Bekenntnis zum Verein, zum 1.FC Wundervoll (aka 1.FC Union). So weit alles klar. Dahinter angeordnet sehen wir vier harmlose Obstsorten, die sich als äußerst freche Früchtchen erweisen sollen. Entschlüsselt ergibt sich die oben schon erwähnte Schmähung der Herren Ordnungshüter. E voila: und schon haben wir ein fein säuberliches, wohl mundendes ACAB!

Welch Einfallsreichtum. Welch genialer Gedanke. Hübsch, nicht wahr?

Dumm nur, dass das da nicht steht. Glauben sie nicht? Versuchen wir es in unserer lieben Mutterspache: Ananas wie A? Ein guter Anfang! Kokusnuss? Hm, schon irgendwie blöde. Cops enthält nun mal kein K im Wort, egal auf welchen der vier Buchstaben man auch schaut. Eine weitere Einzelfallprüfung brauchen wir nicht mehr. Es ist völlig obsolet, dass Apfel und Banane folgen. Der gewünschte Satz ist kryptologischer Unsinn.

Nun gut, wir wollen mal nicht so sein. Sicherlich wird im Englischen die gewünsche Message voll rübergebracht. Schauen wir doch mal. Und beginnen aus dramaturgischen Gründen von hinten. Banana? Perfekt. Apple? Passt auch. Coconut? Heureka! Habemus C. Das trifft sich ganz hervorragend! Und nun zum finale grande, kommen wir zum Primus dieser Reihe, kommen wir zur – Tusch – Ananas. Äh, Ananas? Ach, Ananas! Musste das denn passieren? Kannst du nicht einmal so, wie wir wollen? Denn diese schöne Südseefrucht lautet in der Sprache der Angel-Sachsen leider auf P an. P wie pineapple.

Wie schade, wie schade. So viel Einsatz. So viel Liebe zum Detail. So schöne Sticker. Aber so viel Unsinn. Ach Pisa, möchte man in seiner Verzweiflung ausrufen.

Wie meinte doch der große Heinz Erhardt? Wie nützlich ist es dann und wann, wenn man ne fremde Sprache kann.

Fersengeld

Das verflixte zweite Jahr, ich hattes anderen Ortens schon mal erwähnt. Und aus gegebenem Anlass hier ein kleines (bitte nicht zu sehr ernst zu nehmendes) Gedicht. Inspiration fand ich in kurzweiligen Redaktionsstunden  bei @alorenza

Der Fußballgot in seinem Zorn
Schickt Union jetzt nach Paderborn.
Und weil’s da keinem recht gefällt
Zahlt man dort reichlich Fersengeld

Die Kronprinzen hinter den glorreichen Sieben

Hannover! Ich war mir so sicher! Ganz klar Hannover! Und das aus dem Kopf heraus. 96, Arminia und – tätä – der OSV! Alle dabei. Doch bevor ich mir zu viel selbst auf die Schulter Klopfen konnte vor Begeisterung, hatten mich die Fakten bei fussballdaten.de eines besseren belehrt. Es waren mitnichten nur die Leinstädter!

Wovon hier die Rede ist? Na von Fußball-Zweitligisten. Besser gesagt von Städten, die seit 1974 mehr als einen Zweitligaklub hervorgebracht haben. Und angeregt dazu hat mich @saumselig, der drüben bei Textilvergehen mal so ganz salopp Berlin ob seiner sieben Zweitliga-Vereine die Hauptstadt der Zweitklassigkeit „schimpft“.

Doch wer oder was, so frug ich mich, nahm hinter den „glorreichen Sieben“ aus Berlin die Vizemeisterschaft ein? Die Antwort oben ist zwar nicht falsch, aber eben nicht vollständig. Denn nicht nur die niedersächsische Landeshauptstadt hatte schon drei Vertreter ins Bundesliga-Unterhaus entsandt, sondern eben auch Köln mit – na logisch – dem langjährigen Ewigen Zweitliga-Tabellenführer Fortuna  (mittlerweile von Alemannia Aachen abgelöst), dem Eff-Zeh und Viktoria!

Auch noch in der Spitzengruppe finden wir, man höre und staune, Ingolstadt! Der ESV und der MTV kickten einst in Liga zwo, nun der Nachfolgefusionsverein der beiden Fußball-Abeilungen, der FC Ingolstadt 04!

Weitere Städte, aus denen jeweils zwei Klubs es in den Unterbau der deutschen Eliteliga schafften:

Hamburg (FC St. Pauli und HSV Barmbek-Uhlenhorst)
Freiburg (der eigentliche Traditionsklub FC und der Lokalrivale SC!)
Bochum (VfL und Wattenscheid 09)
Frankfurt (FSV und Eintracht)
Essen (Rot-Weiß und Schwarz-Weiß)
Würzburg (FV ’04 und Kickers)
Paderborn (TuS Schloß-Neuhaus und SC Paderborn 07)
Gütersloh (DJK und FC)
Stuttgart (VfB und Kickers)
Remscheid (BV Lüttringhausen und sein späterer Nachfolger BVL Remscheid)

Streiten könnte man sich allerdings noch, ob der TSV Havelse als Hannover’sch gelten darf. Dann wäre die Leinestadt doch der Kronprinz hinter unserer geliebten Spreemetropole. Ich plädiere aber eher für Nein. Denn Unterhaching ist ja auch nicht wirklich München.

So kann man das natürlich auch sehen

Der allseits verehrte und von den Herren und Damen von www.textilvergehen.de über alle Maßen geliebte Volker Strübing bringt ein kleines Licht in den dunklen Halbfinalkeller. Und vergisst dabei auch nicht, die derzeit Hochkunjunktur habenden Bohrlochwitze mit einfließen zu lassen. Danke!

Bitte nicht – oder es langt

Alles! Nur nicht Port Elizabeth. Wobei der geneigte Leser mir bestimmt jetzt vorhalten wird, dass bei der Wahl zwischen Johannesburg und PE die Bezeichnung „alles“ doch ein wenig übertrieben sein mag. Es würden ja weitere Alternativen fehlen. Hier geht es nur noch um entweder-oder! Alles wäre also eher der Gipfel denn eine unliebsame, mühsam in Kauf genommene Variante. Was ja stimmt. Ich weiß doch! Aber derzeit fühlt es sich bei mir so an: Alles, nur nicht PE!

Lassen wir es mal hingestellt, dass Jogis Jungbrigade –  nach 13:2 Toren, nach grandiosen Leistungen gegen die alternden „Three Lions“ und eine erschreckend blasse „Albiceleste (die war mehr  kreidbleich als himmelblau-hochjauchzend.) –  es einfach verdient hat ins Endspiel einzuziehen. Unwichtig, dass keine Mannschaft im Turnierverlauf so herzerfrischenden One-Touch-Football zelebriert hat..

Mich treiben ganz persönliche Motive. Ich mag hier unten nicht mehr reisen. Es langt.

Spiel Nr. 1 in Durban gegen die „Kicker von Oz“ bedeuteten seinerzeit einen echten 24-Stunden-Trip für uns. Aufstehen um 4 Uhr morgens, hin zum Flieger (spätere seien angeblich nicht möglich gewesen) und Abends nach dem kick wieder zurück. Punkt 4 Uhr des nächstens Tages lag man dann in den Federn. (Den Euphemismus möge man mir verzeihen, denn die Südafrikaner kennen eher keine Daunenbetten).

Spiel Nr. 2 in Port Elizabeth gefiel durch ähnliche Abflugzeiten. Einzig die Rückkehr verkürzte sich durch das Nachmittagsspiel ein klein wenig. Oder hätte sich verkürzen sollen, wenn nicht hübsche, fast zwei Stunden lange  Wartezeiten einem es ermöglicht hätten, den netten Aufenthalt am Gate ein klein wenig zu Gunsten hübscher Rollbahnstudien auszudehnen. Ergebnis: Nicht ganz vier Uhr!!

Spiel Nr 3: Johannesburg. Hach! Kurze Wege, kurzfristige Heimkehr. Aber Abendspiel. Also auch nicht vor 1.30 Uhr im Bett.

Spiel Nr:4 : Zu dicht für den Flieger, fast zu weit fürs Auto! Was tun? Doch die Karre genommen. Abflug morgens um 7 Uhr. Zum Augleich fuhr der einstmals stolze Wagen aus bayerischer Fertigung  auf der Rücktour nur auf drei Töpfen. Ankunft in Centurion: Siehe recht weit oben. Das 4:1 erfreute, änderte aber nichts an den Reisestrapazen. Ölsardinen waren nix gegen uns als Trio auf der Hinterbank. Und das über 450 km. Und dabei handelte es sich kinesfalls um gute, ale deutschen Autobahn-Kilometer …

Reise Nr. 5 führte ins wunderschöne Kapstadt. Wieder wart ein frühmorgendlicher, eher noch nächtlich zu nennender Flug fällig. Diesmal am MD – 1 (Matchday minus one) wie es so schön bürokratisch im FIFA-deutsch heißt. Eine Übernachtung im V&A Waterfront war mit inbegriffen. Und der Flieger zurück hob mit 23.37 Uhr recht pünktlich ab. Nach zwei Stunden Flugzeit brache es dann unser Fahrer fertig, nicht den längeren, dafür aber schnelleren Weg über die Autobahn zu wählen, sondern mittenmang durchs nächtliche Pretoria hieß die Devise.  Ergebnis: Home, sweet home so gegen 3 Uhr.

Reise Nr 6. steht nun bevor. Erneut ruft Durban am MD-1. Da dort keine Rückkehr am Abend des Kicks möglich ist, heißt das – neben zwei Übernachtungen  fern des HQ – Rückkehr einen Tag später. Ja doch, wieder in aller Hergottsfrühe. Von der Zimmersuche will ich hier gar nicht reden. Die wurde gaaaaaanz unwesentlich erschwert, weil wir als Autoren-Kollektiv zu viert unterwegs waren. Zimmer frei?  Nix da. Alles ausgebucht im Umkreis von 25 km! Und das, was einem nach langer Recherche unter die Flinte kam, hatte Preise, bei denen jeder Apotheker hochgradig beleidigt gewesen wäre, wenn seine Zunft damit in Zusammenhang gebracht worden wäre.

Wenn Sie jetzt noch bitte freundlicherweise in Betracht ziehen mögen, dass ich einen ganzen Tag fern des HQ und der Kollegen auf der Jagd nach den Aussis veracht hatte, zwei Tage mittendrin auf den Spuren der Engländer in Rustenburg verbrachte und auch einen Tag vergeblich zu den Argentiniern wollte, weil mein Fahrer drei Stunden zu spät von einem Termin kam und dann den Weg nicht wusste (wohl aber wie man am sichersten in den Feierabendstau von Pretoria kommt), dann werden Sie vielleicht verstehen.

Es langt! Alles, nur nicht PE. Denn das Spiel um Platz drei wäre nochmal mit einer zweitägigen Flugreise zu veranschlagen. Die Rückkehr am Finaltag brächte gar zu viel Kurzweil. Flughafen, HQ, Koffer packen, hin zum Endspiel nach Soccer City, um frühenstens 1 Uhr nachts wieder zurück. Und am nächsten morgen stünde dann der Flieger sda zurück in die Heimat, zurück nach Berlin.

Bitte nicht. Jungs, macht am Mittwoch gegen Spanien keinen Scheiß! Ich will hernach nur noch in die Soccer City!

Futsch

Am Toreingang zum All Seasons machte ich mir noch keine großen Gedanken. Okay, irgendwo, wird er schon sein. Irgendwo in den Tiefen des Raumes, äh der beiden voll gestopften Taschen. Wenige Minuten drauf und ein echtes Suchkommando später steht fest: Futsch! Er ist futsch! Der Schlüssel zu unserem Guesthouse. Der zur elektrischen Schließanlage. Und der Haustür. Und schon setzt das große Entsetzen ein. Das kann teuer werden …

Sollte das womöglich die späte Rache dafür sein, dass ich mich über einen Kollegen lustig gemacht hatte??

Mist. Mist. Und nochmals Mist! Das hat man nun von diesem übereilten Quartierwechsel. „Du musst zu den Engländern“, hatte es nur kurz am Frühstückstisch geheißen. Die saßen kanpp zweieinhalb Autostunden von uns entfernt. Also kurz zwei Taschen gegriffen, Laptop, Handys, Kamera etc pp. reingeworfen, den Kollegen nicht groß adieu gesagt, und ab dafür.

So weit, so gut. Wo man nächtigen wüde, würde man sehen. Sah ich dann auch. Nach einigem Suchen. Den Rustenburg war überbucht. Und so fand ichn etwas aus purem Zufall. Dafür aber für rund ein Drittel des Preises, den ein vorab buchender Kollegen von Welt zu berappen hatte.

Egal. War eigentlich nicht wichtig. Wichtiger war da schon eher, dass die Unterkunft sauber, die Landlady überaus freundlich und die beflissenen Geister dienstwillig waren. Zu willig, wie sich später rausstellen sollte.

Wie immer begann ich in einem Kurzzeitquartier nicht groß auszupacken. Alles, was ich nicht vor Ort benötigte, hatte ich fein säuberlich an zwei strategisch übersichlichen Punkten in meinem Zimmer verteilt. In einem Sessel. Und auf der Ablage des Schminktisches, der mir mittendrin als Schreibtisch zu dienen gedachte. Übersichtlich also. Und alles leicht wieder zu finden.

Hatte ich mir so gedacht, in meinem jugendlichem Leichtsinn. Als ich nach der Pressekonferenz in mein Domizil zurück kehrte, ward der Raum jungfräulich. Kein Rucksack mehr zu sehen, keine Jacken. Nüscht. Doch keine Panik. Ein kurzer Blick in den Schrank und alles hatte wieder seine Richtigkeit. Bzw schien zu haben. Womit ich nicht gerechnet hatte, dass Kleinutensilien von den Hauselfen anderenorts, in einer Schublade unterhalb der Schminkkommode deponiert worden waren.

Und nun, sie ahnen es bereits, was kommen muss. So kam es auch. Bei meiner Abfahrt blickte ich mich zur Sicherheit überall um. Im Bad, im Schrank. Sogar in der – weil Winter – unbenutzten Außendusche. Alles schick. Alles beisammen. Und ab gen Heimat. Was natürlich unterblieb, der Blick in die einzelnen Schubladen. Warum auch? Ich hatte sie ja nie angefasst!

Künstlerpech …